Das Brockenhaus, die Wundertüte!

«FABIENNES FILES» @praxisarena 01.23

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Für die einen ist es das Kaufhaus für arme Leute, für die anderen eine faszinierende Wundertüte: Brockenhäuser.

Sie leben von Warenspenden sowie Räumungen, und meistens kommen ihre Erlöse einer wohltätigen Organisation wie dem Blauen Kreuz oder der Heilsarmee zugute. Es soll ja immer noch Menschen geben, die sich schämen, ein Brockenhaus zu betreten. Dabei ist Secondhand längst Normalität in unserer Gesellschaft. Und das ist gut so.

Als ich kürzlich ein Brockenhaus in der Region besuchte, war ich angetan vom Angebot. Eigentlich gibt es dort fast alles. Ich sah Teenager mit grossem Spass beim Anprobieren von Kleidern, Musikfans stöberten eifrig im riesigen Angebot von CDs und LPs, nicht nur Frauen staunten über das riesige Angebot an Geschirr, Vasen und sonstigen Dingen aus Porzellan, Glas oder Keramik. In der gut sortierten Buchabteilung tummelten sich Leseratten aller Altersklassen und in der Spielwarenabteilung sah man nicht nur strahlende Kinderaugen.

Das Angebot ist riesig, von Alltagsgegenständen über Kitsch und Krempel bis hin zu Antiquitäten und Kunstgegenständen. Es ist dieser Mix aus Kaufhaus und Kuriositätenkabinett, der den Brockenstuben einen besonderen Charme verleiht. Zu meinem Besuch inspirierte mich ein freundlicher älterer Herr. Ich hatte auf einer Onlineplattform ein längst vergriffenes Buch erstanden, und da der Herr in meiner Nähe lebt, habe ich das Buch bei ihm abgeholt.

Als ich seine grosse, helle und geschmackvoll eingerichtete Wohnung betrat, traute ich meinen Augen nicht: überall Designobjekte, soweit das Auge reicht. Von den Kleiderbügeln über die Möbel bis hin zu den geschmackvollen Bildern an den Wänden. Ich kam mir vor wie in einem Museum.

Stolz führte mich der Herr durch sein schillerndes Reich und beantwortete geduldig meine Fragen. Ich war begeistert. Beim Kaffee erzählte er mir von seiner Leidenschaft für Design und die schönen Dinge des Lebens. In meinem Kopf fing ich an zu rechnen und stellte mir vor, was das alles gekostet haben müsste. Zu meinem Erstaunen berichtete er mir, dass fast alle Gegenstände aus Brockenhäusern stammen. Seit vielen Jahren hätte er seine Stamm-Brockis, wo er immer wieder unglaubliche Funde machen würde. Nicht bei jedem Besuch natürlich, aber immer wieder mal. Ich war sprachlos.

Der eine oder andere Gegenstand stamme auch von Flohmärkten, doch dort würde man längst nicht so viele «Schnäppchen» machen. Sein «bescheidenes» Fachwissen habe er sich übrigens im Laufe der Jahre durch das Lesen unzähliger Fachbücher angeeignet, die er fast ausnahmslos in Brockenhäusern gekauft hatte. Und natürlich durch den Austausch mit anderen Brocki-Fans, denen er in Brockenstuben oder auf Floh- und Antikmärkten immer wieder begegne. Man kenne sich seit Jahren und treffe sich auch privat, zum Austausch über die neuesten Fundstücke.

Vor lauter Begeisterung hätte ich beinahe mein Buch vergessen. Doch eins war mir klar: Ich werde jetzt wieder öfters in der Brockenstube vorbeischauen. Nicht in der Hoffnung, auf einen Rembrandt oder eine Rolex zu stossen, sondern, um ein wenig zu stöbern, mich inspirieren zu lassen und spannende Menschen zu treffen. Ich hoffe, dass Sie gut ins neue Jahr gestartet sind.

Vielleicht begegnet man sich ja mal im Brockenhaus, wer weiss …

Herzlichst

Ihre Fabienne Gross

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