Juventus Schule für Medizin
Publiziert am 4. Juni 2025
Foto: Praxisarena
Sandra Wegmann, Bildungsverantwortliche MPA, Universitätsspital Zürich
Franziska Tschirky Feratovic, Prozessverantwortliche Sekundarstufe, USZ
Artikel veröffentlicht in der Praxisarena, Ausgabe 2/25
„Klar, als Mann bin ich oft in der Minderheit. Aber ich sehe das eher als Vorteil, weil es den Teams auch mal eine andere Dynamik bringt“
Text aus der Praxisarena:
Seit etwa vier Jahren ist ein Trend zu mehr männlichen MPA-Lernenden zu beobachten. 2020 schlossen schweizweit fünfzehn junge Männer ihre MPA-Ausbildung ab. Das entspricht 1.4 % aller MPA-Absolvent*innen (Bundesamt für Statistik, 2020). 2021 beendete im Universitätsspital Zürich (USZ) der erste männliche MPA-Lernende seine Ausbildung.
Bereits 2022 gab es 2.7 % männliche MPA-Absolvierende in der Schweiz. Setzt sich diese Entwicklung fort, ist mit einer signifikanten Steigerung ab 2024 zu rechnen: Medizinische Praxisassistenten werden keine Seltenheit mehr sein.
Der Beruf der «Arztgehilfin» war lange von traditionellen Geschlechterrollen geprägt. Frauen übernahmen soziale, pflegerische oder administrative Aufgaben, während Männer in technisch-handwerklichen oder leitenden Bereichen tätig waren.
Die ersten Arztgehilfinnen waren oft Ehefrauen der Ärzte. Die Praxis befand sich meist im Wohnhaus des Arztes. Mit der Zeit entwickelte sich eine Trennung von Wohn- und Arbeitsort – vor allem in städtischen Gebieten.
Mit dem medizinischen Fortschritt hielten Röntgentechnik, Labortechnik und administrative Aufgaben wie Abrechnung Einzug in die Arztpraxen. Die Ausbildung zur Arztgehilfin begann in der Schweiz um 1918 an privaten Schulen, war privat finanziert und lange nicht staatlich geregelt.
1955/56 umfasste der Lehrstoff unter anderem:
Labor, Krankheitslehre, Instrumentenkunde
Ärztliche Untersuchungstechnik
Anatomie, Physiologie, Terminologie
Physik, Chemie
Buchhaltung, Korrespondenz, Schreibmaschinenkurs
Fremdsprachen (Französisch, Englisch, Italienisch)
1969 wurde die Ausbildung vereinheitlicht und zentral geregelt. Absolventinnen erhielten ein FMH-Diplom, das Mindestalter lag bei 17 Jahren.
Die Anforderungen in den 1950er Jahren:
Absolute Zuverlässigkeit
Einsatzbereitschaft
Genauigkeit, Verschwiegenheit
Taktgefühl, Verständnis für Kranke
Keine Allergien gegen Chemikalien
Bereitschaft für Überstunden
Psychische Belastbarkeit
Fähigkeit, am Telefon Wichtigkeit einzuschätzen
Früher gab es kaum Aufstiegschancen. Wer sich weiterentwickeln wollte, musste in andere Berufe wie Laborantin oder Pharmareferentin wechseln. Ein strukturierter Karriereweg fehlte.
Mit dem EFZ (eidgenössisches Fähigkeitszeugnis) wurde die Ausbildung ab den 1990er Jahren vereinheitlicht und professionalisiert.
Weitere Meilensteine:
Seit 2012: MPA-Ausbildung mit Berufsmaturität möglich
Seit 2013: Einführung der Medizinischen Praxiskoordinatorin (MPK) – mit Fokus auf Führung und Organisation
Berufliche Weiterbildung: CAS/MAS-Abschlüsse in Health Care Management, eidg. Berufsprüfung, höhere Fachprüfungen
Früher arbeiteten MPAs meist allein oder zu zweit für eine Praxis. Heute sind Gruppenpraxen, Ambulatorien und Spitäler üblich. Die neue Arbeitswelt bietet:
Teamarbeit
Spezialisierungsmöglichkeiten
Verantwortung und Eigenständigkeit
Besseres Image des Berufs
Mehr Männer im Beruf
Einige Aussagen der Lernenden am USZ:
Elias (1. Lehrjahr): „Ich wollte mit Menschen arbeiten und medizinisches Wissen nutzen. Mein Umfeld war überrascht – jetzt unterstützen mich alle.“
Matteo (1. Lehrjahr): „Wir organisieren, assistieren und sorgen für Struktur – es ist sehr abwechslungsreich.“
Finn (1. Lehrjahr): „Ich möchte später Arzt werden. Die MPA-Lehre mit BMS ist ein guter Start.“
Daniel (3. Lehrjahr): „Ich werde im Team nicht anders behandelt, fühle mich willkommen.“
Noah (2. Lehrjahr): „Ich habe erst später realisiert, dass MPA ein Frauenberuf war.“
Die Mehrheit berichtet von:
Willkommenskultur
Neutralität im Team
Unterschiedlicher Konfliktstil (sachlicher, ruhiger)
Ausgewogenerer Teamdynamik mit Männern
Anfangs überrascht, dann meist positiv
Besonders ältere Menschen reagieren manchmal zögerlich
Wichtig: professionelle Kommunikation, respektvoller Umgang
Der Beruf vereint Assistenz (z. B. bei Untersuchungen) mit viel eigenständiger Arbeit (z. B. Blutentnahme, Organisation).
Hierarchien werden als flach erlebt.
Zusammenarbeit mit Pflegefachpersonen, Hebammen, Ärzten, MPKs etc.
Austausch auf Augenhöhe
Fachübergreifendes Lernen
Fördert Teamgeist und Qualität in der Patientenversorgung
MPAs können sich in drei Richtungen weiterentwickeln:
Fachlaufbahn: Spezialisierung
Führung: Leitung von Teams, Gruppen oder Ambulatorien
Bildung: Berufsbildner:in, SVEB-zertifizierte Weiterbildung
Der Beruf ist heute so dynamisch wie nie zuvor. Digitalisierung, Spezialisierung und neue Versorgungsmodelle werden ihn weiter verändern. Der Männeranteil wird voraussichtlich weiter steigen.
Ich finde es super, mit Jungs zu lernen – sie bringen andere Perspektiven ein und machen die Ausbildung lebendiger.
mit Lehrvertrag
(ohne Lehrvertrag)
Medizinische Grundlagen für bei Krankenkassen, Versicherungen und anderen Institutionen des Gesundheitswesens tätige Fachpersonen